Blauzungenkrankheit
Die Blauzungenkrankheit (engl. Bluetongue disease, BT) ist eine anzeigepflichtige, viral bedingte Tierkrankheit, die vor allem bei Wiederkäuern wie Schafen, Rindern, Ziegen und Wildwiederkäuern vorkommt. Die Krankheit wird durch Gnitzen (Mücken) übertragen, nicht durch direkten Kontakt zwischen Tieren.
Die Blauzungenkrankheit wird durch das Blauzungenvirus (BTV), ein Orbivirus aus der Familie der Reoviridae, verursacht. Es gibt 24 klassische Serotypen (BTV1-24) des Erregers und eine stetig steigende Anzahl atypischer BTV-Serotypen (BTV25 und aktuell mindestens 7 weitere Serotypen), die bisher nur in den kleinen Wiederkäuern (besonders Ziege) nachgewiesen wurden.
Schafe erkranken häufig schwerer als Rinder und Ziegen, wobei es sogar Todesfälle gibt. Bei Rindern kommt es unter anderem zu einem massiven Rückgang der Milchleistung.
Übertragen wird das Virus durch Mücken der Gattung Culicoides (Gnitzen). Dies ist der Grund, dass die BT saisonal verstärkt in der warmen Jahreszeit bei feuchtwarmem Wetter auftritt. Vor allem zwischen Abend- und Morgendämmerung fallen die Gnitzen die Tiere im offenen Gelände an. Für die atypischen BTV-Infektionen wird zusätzlich eine vektorunabhängige Transmission vermutet.
Die klassischen BTV-Serotypen verursachen hauptsächlich beim Schaf klinische Symptome, die sieben bis acht Tage nach Infektion auftreten. Typische Anzeichen sind:
- Akutes Krankheitsbild: Fieber, Apathie, Absonderung von der Herde
- Maulregion: Schwellung und Rötung der Maulschleimhäute, vermehrter Speichelfluss, Schaumbildung, seltene Zungenverfärbung (hauptsächlich bei empfindlichen Rassen)
- Klauen: Rötung und Schmerzen am Kronsaum, Lahmheit
- Tragende Tiere: Risiko für Aborte
Beim Rind treten ähnliche Symptome auf, darunter Entzündungen der Zitzenhaut, Schleimhautablösungen im Maul- und Zungenbereich sowie Blasenbildung am Kronsaum. Diese ähneln den Symptomen der Maul- und Klauenseuche (MKS).
Das Virusgenom bleibt bis zu 200 Tage nachweisbar, infektiöses Virus maximal 60 Tage. Die Tiere entwickeln eine belastbare Immunität, und die Krankheit kann ausheilen. Atypische BTV-Serotypen zeigen eine mildere Klinik, insbesondere bei Ziegen und Schafen, mit abweichender Pathogenese (spätere Virämie, geringe humorale Immunantwort, Genomnachweis über Jahre).
Es besteht keine Gefahr für den Menschen oder für Haustiere. Eine artübergreifende Infektion ist nicht möglich.
Eine Behandlung erkrankter Tiere ist nicht möglich. Die Impfung von Wiederkäuern ist derzeit der einzige wirksame Schutz vor klinischen Symptomen und der Ausbreitung des Virus. Inaktivierte Impfstoffe sorgen für eine langanhaltende humorale Immunität in der Population. Während atypische BTV-Serotypen in der EU als nicht bekämpfungswürdig gelten, wurde in Deutschland bis Dezember 2024 ausschließlich BTV-3 nachgewiesen. In Nachbarländern sind jedoch weitere Serotypen präsent (z. B. BTV-4 in Österreich, BTV-8 in der Schweiz und Frankreich, BTV-12 in den Niederlanden).
Für BTV-3 gibt es in Europa noch keinen zugelassenen Impfstoff. Aktuell hat der Ausschuss für Tierarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Veterinary Use, CVMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) am 14. und 15. Januar 2025 die Zulassung der Impfstoffe Bluevac-3 und Syvazul BTV 3 empfohlen, um Schafe vor der Blauzungenkrankheit zu schützen. Einer der beiden Impfstoffe kann auch bei Rindern eingesetzt werden. Die Impfstoffe bieten Schutz gegen den neu auftretenden Serotyp-3 des Blauzungenvirus (BTV3), gegen den bisher zugelassene Impfstoffe kaum wirksam sind. Daher wurden die Impfstoffe unter sogenannten außergewöhnlichen Umständen zur Zulassung empfohlen. Die Entscheidung liegt nun bei der Europäischen Kommission.
In Deutschland ist die vorbeugende Impfung mit drei vom Paul-Ehrlich-Institut benannten, nicht für BTV-3 zugelassenen Impfstoffen erlaubt: Bultavo 3, Bluevac-3, Syvazul BTV 3. Diese reduzieren laut Herstellern klinische Symptome und Virämie und sind gut verträglich, jedoch wurden Fälle von Erkrankungen bei geimpften Tieren, vor allem in den Niederlanden, berichtet. Die Impfung mit inaktivierten Impfstoffen bietet aktuell den effektivsten Schutz. Auch das Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) empfiehlt dringend die Anwendung dieser Impfstoffe, die durch Erlass einer Eilverordnung im Juni 2024, befristet möglich ist. Mit der am 8. März 2025 in Kraft getretenen Änderungsverordnung (BGBl. Teil I, Nr. 76 vom 07.03.2025) wird die Ausnahmeregelung zum Einsatz der benannten Impfstoffe bis zunächst 7. September 2025 verlängert.